Schichtdienst, wenige Wertschätzung für die Pflegekräfte, kein Entgelt für Auszubildende, reißerische Berichterstattung über Misshandlungen von Patienten in Pflegeheimen, schwere Arbeit, oft mehr als eine 40-Stunden-Woche und keine angemessene Bezahlung – es gibt viele Gründe, weshalb es sehr schwierig ist, Pflegekräfte auszubilden und zu beschäftigen.
Viele der Pflegefachkräfte und Pflegehelfer – das haben Untersuchungen ergeben – arbeiten am Limit und oft nicht länger als 10 Jahre in ihrem Beruf. Alten- bzw. Krankenpflegekräfte bekommen schneller Depressionen als viele Beschäftige in anderen Berufen. Über das Dilemma des Pflegenotstands diskutierten auf Einladung der SPD Ortsvereine Petershausen und Weichs fast 70 Interessierte mit der Einrichtungsleiterin des Danuvius-Hauses Petershausen Christine Richter zusammen mit der Pflegedienstleiterin Julia Hengst. Martina Tschirge, SPD-Bezirkstagskandidatin für den Landkreis Dachau moderierte die Veranstaltung, zu der auch die Einrichtungsleiterin des Danuvius-Hauses Ingolstadt, Beate Fröhlich, überraschend gekommen war.
Am Beispiel des Danuvius Hauses kann man die Problematik gut beschreiben: Die Vollbelegung des Hauses scheitert am Mangel an Pflegekräften. „Anfragen wären schon da“, erklärte Christine Richter. „aber 20 Betten bleiben leer, da wir nicht genügend Personal haben. Eine große Einstellungshürde ist aber unter anderem der Wohnraummangel!“ 40 der 110 Angestellten des Hauses für Demenzerkrankte kommen aus Petershausen. Sie sind flexibel bei ihren Arbeitseinsätzen, die manchmal auch jenseits des Dienstplans liegen. Für alle anderen, vor allem wenn sie auf den ÖPNV angewiesen sind, ist es mit Früh- und Nachtschichten nicht so einfach. „Eine längere Anfahrt, meist aus der Region Aichach, weil dort die Mieten noch bezahlbarer sind als im Speckgürtel von München, ist für die Kolleginnen und Kollegen normal“, sagte die Pflegedienstleiterin Julia Hengst.
Den interessierten Gästen des Abends hatte die Leitung des Danuvius zuvor einen Rundgang angeboten. Die großzügige Architektur ist für Demenzerkrankte optimal durchdacht. Viele brauchen die ständige Bewegung und damit niemand vor eine verschlossene Tür oder Wand läuft, sind die Zimmer im Karre angeordnet – unterbrochen durch jeweils zwei große Wohn- und Küchenbereiche. Es gibt Bewegungsräume und sogar ein Künstleratelier. „Insgesamt ist es eine Umgebung, in der man sich als Patient und als Pflegerin bzw. Pfleger sehr wohl fühlen kann“, beschrieb die Situation eine der Besucherinnen. „Man merkt den Menschen an, dass die Atmosphäre stimmt.“ Christine Richter betont, dass die Angestellten das Herz der Einrichtung sind. „Sie haben bei mir eine ständig offene Bürotür und können jederzeit mit ihren Fragen oder Problemen zu mir kommen. Trotzdem wird es oft schwierig, wenn z.B. jemand durch Krankheit ausfällt. „Dann müssen wir hin und wieder spontan Leiharbeiter dazu nehmen.“ Sie macht sich auch um die Auszubildenden viele Gedanken und begrüßt, dass nun bald eine Person neu eingestellt wird, die sich ausschließlich um sie kümmern wird. „Das entlastet alle“, beantwortete sie die Fragen von Martina Tschirge, die wissen wollte, wie es um Aus- und Weiterbildung bestellt ist. Im Landkreis Dachau gibt es viele Möglichkeiten in der Akademie Schönbrunn mit seiner Fachschule in Gut Häusern. Ein breites Gebiet für die Berufsausbildung junger Menschen oder zur Umschulung älterer Berufstätiger. Pflegehelfer können mit inzwischen kostenlosen Weiterbildungsangeboten schnell aufsteigen, Pflegefachkräfte „Karriere machen“, indem sie in den Medizinischen Dienst aufsteigen oder Heimaufsicht werden.
„Dass der Beruf der Pflegekraft bei den Menschen kein sehr hohes Ansehen hat, liegt zum Teil auch an der oft reißerischen Berichterstattung über Negativ-Beispiele“, gab Martin Tschirge zu bedenken. Problematisch sei das tatsächlich, so Christine Richter: „Die Arbeit mit den hilfsbedürftigen Menschen aber ist erfüllend und wohltuend.“
Fazit der Veranstaltung waren deutliche Forderungen an die Politik: Eine erhebliche Erhöhung des Gehalts – 30 Prozent laut dem gesundheitspolitischen Sprecher der SPD, Karl Lauterbach. Außerdem eine 35-Stunden-Woche und ein Renteneintrittsalter von 60 Jahren. Wichtig sind auch eine Veränderung des Pflegeschlüssels und die schnelle Anerkennung als Pflegefachkraft von ausländischen Berufsausbildungen. Die Helferausbildung soll nicht nur kostenlos sein, sondern sie soll belohnt werden – heißt am Ende: Nicht Ausbeutung, sondern Wertschätzung, denn „unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind unser höchstes Gut“, so die Aussage der Einrichtungsleitung.